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Gestern und Heute


Die Anfänge des Aargauer Weinbaus finden sich in der Römerzeit. Auch wenn es keine schriftlichen Belege dafür gibt, kann man aufgrund von Spuren von Trauben bei Ausgrabungen sowie Funden von Vasen, Schalen und Trinkgefässen in den Römerlagern von Windisch, Augst und Zurzach auf Weinanbau schliessen. Ausserdem scheint es gesichert, dass die Römer ihre Trinkkultur im restlichen Europa verbreitet haben und in der Provinz nicht plötzlich abstinent geworden sind. Naheliegend ist auch, dass der Wein im Umfeld des Legionärslagers Vindonissa nicht in den benötigten Mengen mühsam aus Italien angeschleppt worden ist.

Urkundlich wurde der Rebbau im Aargau erstmals im Jahr 1023 erwähnt. In der „Acta Murensia“, ein Dokument über die Gründung und die Entwicklung des Klosters Muri aus dem Jahr 1160, finden sich schon detaillierte Schilderungen über die Rechte und vor allem Pflichten der Bauern, welche die Reben im Auftrag des Klosters Muri bewirtschafteten sowie Definitionen zu Anforderungen an Bodenbearbeitung, Bepflanzung, Düngung und Rebschnitt.

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Grosse Flächenausdehnung bis zum 19. Jahrhundert

Es waren die Klöster und der Adel, die den Weinanbau im Aargau in der Neuzeit bis zum 19. Jahrhundert vorangetrieben haben. Die Rebflächen wurden laufend ausgedehnt und erreichten 1881 mit 2681 ha einen Höchststand, der sogar die Anbaufläche im Wallis um rund 350 ha übertraf. Zahlreiche Sorten wurden angepflanzt, es herrschte ein regelrechter Sortenwirrwarr. Hauptsorte war die heute unter dem Namen Chasselas bekannte Sorte Gutedel, mit den beiden Klonen Schenkenbergertraube und Fendant. Weitere angebaute Sorten waren u. a. der Blauklevner, der Grauklevner, der Sylvaner sowie der Blauer Portugieser.

Der grossflächige Weinanbau entsprach dem damaligen Weinkonsum. Dieser überstieg im Mittelalter und in der frühen Neuzeit den heutigen Konsum massiv. Im späten 19. Jahrhundert stand das Sechsfache der aktuellen Rebfläche zur Verfügung, bei einer Bevölkerung, die etwa ein Drittel der heutigen ausmachte. Jedoch kann der damalige Wein nur bedingt mit dem heutigen verglichen werden, wurde er doch üblicherweise mit Wasser gestreckt oder mit anderen Substanzen versehen. Zudem war der Alkoholgehalt wesentlich tiefer als heute.

Schwere Rückschläge um 1900

Nach 1881 ging die Anbaufläche im Aargau stark zurück. Sie fiel zu Beginn des 20. Jahrhunderts rasch unter die Grenze von 1000 ha. Eine der Hauptgründe dafür war die Reblaus, ein Schädling, der aus Nordamerika nach Europa eingewandert ist. Von diesem war der Aargau viel stärker betroffen als beispielsweise das weitgehend alpengeschützte Wallis. Bis 1920 griff die Reblaus auf fast das gesamte Kantonsgebiet über und zerstörte die Reben. Zusätzlich zur Reblaus kamen weitere Schädlinge wie der Traubenwickler sowie Pilzerkrankungen wie der echte und falsche Mehltau hinzu. Massnahmen, diese Epidemien zu bekämpfen, kamen zu spät.

Die billigere Konkurrenz aus dem Ausland sowie die zunehmende Popularität von Spirituosen trugen weiter zur schlechten Entwicklung bei. Durch die Missernten und die fehlenden Erträge konnte die Mehrheit der Weinbauer die Darlehen nicht mehr zurückzahlen und musste aufgeben. Die Aargauische Weinbaugesellschaft löste sich auf. Die letzten verbliebenen Rebberge gingen an den Kanton.

Langsamer Weg aufwärts

Ab Anfang des 20. Jahrhunderts erfolgte der Wiederaufbau des aargauischen Weinanbaus – nicht jedoch ohne Rückschläge. Vorangetrieben wurde der Wiederaufbau durch die Gründung der Rebschule um 1920 durch Albert Meier aus Würenlingen. Die von ihm gegründete Rebschule ist bis heute eine der Bedeutendsten des Landes. Meier schuf eine solide Basis für die Rebveredelung. Der frühere Sortenwirrwarr ist verschwunden, auch wenn oft und nicht ganz zu Unrecht gelegentlich zu hören ist, dass die Anzahl der angepflanzten Sorten tendenziell immer noch zu hoch sei.

Zusätzlich zur Verbesserung der Kulturmethoden erzielte man in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kostensenkungen und Ertragssteigerung durch die Erstellung von Weganlagen, Wasserzuleitungen und Entwässerungen. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft sowie die fehlenden Arbeitskräfte während dem 2. Weltkrieg und in den Nachkriegsjahren bedeuteten jedoch einen weiteren Rückschlag. Die Anbaufläche erreichte 1962 mit 226 ha einen Tiefpunkt. Erst ab Mitte der siebziger Jahre ging es wieder langsam aufwärts. Der Weinbau im Aargau wurde wieder zu einem interessanten Betriebszweig. Mehrere Faktoren waren dafür verantwortlich:

  • Umstellung vom arbeitsintensiven Stickelbau auf Drahtrahmenerziehung
  • Verbesserte Ausbildung der Winzer
  • Erhöhung der Weinqualität durch Forschung und Technik
  • Neue Methoden der Bodenbearbeitung
  • Einführung von systematischen Weinlesekontrollen
  • Selektionierung leistungsfähiger Klone
  • Oftmals gute Weinjahre ohne bedeutende Ausfälle
  • Steigende Nachfrage

Herausforderungen der Zukunft

Der Aargauer Weinbau hat auch eine nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Bedeutung. Anbauflächen, Erntemengen sowie die produzierten Weinmengen ergeben bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 13-15 Franken pro Flasche einen jährlichen Gesamtbruttoumsatz von 36-40 Mio. Franken. Die Nachfrage steigt, auch wenn der Aargauer Wein vor allem im Kanton getrunken und kaum exportiert wird.

Die Branche steht aber weiterhin vor grossen Herausforderungen: Im europäischen wie auch im schweizerischen Vergleich sind die Produktionskosten im Aargau immer noch relativ hoch. Auch neue Krankheiten und Schädlinge wie beispielsweise die Kirschessigfliege, die kritische Haltung grosser Teile der Bevölkerung gegenüber Pflanzenschutzmitteln (insbesondere Herbizide) und eine stetig wachsende Bürokratie werden den Winzern auch künftig zu schaffen machen. Die wohl grösste Herausforderung der aargauischen Weinproduzenten dürfte in den nächsten Jahren aber darin bestehen, die Weine so auf dem Markt zu positionieren, dass sie sich trotz relativ hoher Produktionskosten und Verkaufspreisen gegenüber der starken ausserkantonalen und ausländischen Konkurrenz behaupten können.